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Migrationskrise: Wo die Flüchtlingsschiffe im Mittelmeer verschwinden

Libyan fishermen throw a lifejacket at a rubber boat full of migrants . Migrants are very often not given any life jackets or means of communication by their smugglers. More often than not they only h ...
Libysche Fischer werfen Migranten, die nach Europa wollen, Schwimmwesten zu.Bild: keystone

Diese Karte zeigt, wo die Flüchtlinge im Mittelmeer verschwinden

Das Schiffsunglück von Pylos mit mehreren Hundert ertrunkenen Flüchtlingen aus Afrika hat die Migrationskrise wieder stärker in den Fokus gerückt. Dabei hätte das Migrationsdrama ständige Aufmerksamkeit verdient – seit 2014 starben oder verschwanden auf dem Mittelmeer mehr als 27'000 Menschen.
20.06.2023, 15:1915.12.2023, 09:56
Carlo Natter
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100 Millionen Menschen waren 2022 gemäss der UNO-Flüchtlingshilfe weltweit auf der Flucht. Oder anders ausgedrückt: fast die gesamten Einwohner von Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen.

Rund 30 Millionen dieser Flüchtlinge leben in Afrika. Krieg, Armut und Unterdrückung – viele wurden aus ihrer Heimat vertrieben oder erhoffen sich fernab davon ein besseres Leben. Das ultimative Ziel: Europa.

Weltflüchtlingstag
Heute (20. Juni 2023) ist Weltflüchtlingstag. Dieser wurde 2001 von der UNO ins Leben gerufen. Unter dem Hashtag #WithRefugees werden diverse Aktionen rund um Flüchtlinge durchgeführt.

Zwar sanken seit dem Höhepunkt der «europäischen Flüchtlingskrise» im Jahr 2016 die Zahlen derjenigen, die nach Europa flüchten wollen, noch immer nehmen aber weiter täglich Tausende von Menschen den gefährlichen Weg auf sich. Allein in diesem Jahr haben sich gemäss dem «Missing Migrants Project» der Internationalen Organisation für Migration (IOM) schon über 100'000 in Richtung Europa aufgemacht. Seit 2016 sind es gar 1,655 Millionen.

Viele Flüchtlinge entscheiden sich für den gefährlichen Wasserweg übers Mittelmeer, gilt er doch als der schnellste Weg, um ohne Einreisegenehmigung nach Europa zu kommen. Im Wesentlichen gibt es drei Hauptrouten, um die Migrantinnen und Migranten übers Wasser nach Europa zu bringen:

  • Westliche Route von Marokko nach Spanien
  • Zentrale Route von Libyen oder Tunesien nach Italien
  • Östliche Route über die Türkei nach Griechenland

Mit Abstand am häufigsten wird die zentrale Route benutzt. Weil es keine legalen Zuwanderungsmöglichkeiten gibt, sind die Flüchtlinge häufig auf teilweise skrupellose Schleuser angewiesen, die ihre «Kunden» mitunter in seeuntauglichen oder überladenen Schiffen transportieren. Regelmässig kommt es deshalb zu Katastrophen, oft bereits in Küstennähe, wie die Karte aller gestorbenen und vermissten Migranten im Mittelmeer zeigt.

Tote und vermisste Migranten im Mittelmeer seit 2014

Tote und Vermisste 2014 - 2023:

27047

Je grösser der Kreis, desto mehr Menschen sind gestorben oder werden vermisst.quelle: Missing migrants project, grafik: watson.ch

Mehr als 1 Prozent aller Geflüchteten bezahlen ihre Reise mit dem Tod. Zuletzt kam es Mitte Juni südlich der griechischen Halbinsel Peloponnes zu einem verheerenden Bootsdrama, als ein komplett überfüllter Fischkutter sank und mutmasslich bis zu 500 Flüchtlinge mit sich in die Tiefe riss. Nur 104 Menschen konnten gerettet werden, 78 Menschen wurden tot geborgen.

Seit 2014 sind im Mittelmeer über 27'000 Menschen gestorben oder verschwunden, rund 25'000 davon sind ertrunken. Die Zahlen der IOM basieren auf offiziellen Aufzeichnungen der Küstenwache, lokalen Ärzten und den nationalen Behörden. Wie viele Migranten auf dem Weg nach Europa tatsächlich sterben, bleibt allerdings unklar. Die Zahlen dürften noch höher liegen, denn viele Leichen werden nie geborgen.

Ein Grund für die hohen Opferzahlen seien verzögerte staatliche Rettungsaktionen, erklärte die IOM Ende März dieses Jahres. Ihr zufolge starben allein in diesem Jahr mindestens 127 Menschen bei sechs Schiffbrüchen – unter anderem, weil staatlich geleitete Rettungsaktionen verzögert waren. In einem siebten Fall, bei dem 73 Menschen ertranken, habe es überhaupt keine Reaktion gegeben.

Von unterlassener Hilfeleistung ist nun auch beim Bootsunglück vor dem Peloponnes die Rede. Die griechische Küstenwache hatte der Besatzung des Bootes nach eigenen Angaben etwa zwei Stunden vor dem Unglück mehrfach Hilfe angeboten, doch diese sei ausgeschlagen worden.

Nun gibt es jedoch Vorwürfe, dass der Kapitän des Patrouillenboots bei der Entdeckung des Kutters nicht eingeschritten sei. Einige Medien zitierten Überlebende, die Küstenwache habe den Untergang des Boots sogar erst verursacht, indem sie es in Richtung Italien habe schleppen wollen. Die Küstenwache entgegnete, dass das Boot gesunken sei, weil es an Bord eine Massenpanik gegeben habe. Sicher ist bisher nur, dass die See ruhig war, als das Boot sank.

Das ist die IOM
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) ist eine weltweite zwischenstaatliche Organisation im UN-System, welche 1951 gegründet wurde und ihren Hauptsitz in Le Grand-Saconnex bei Genf hat. Sie führt auf nationaler und zwischenstaatlicher Ebene Hilfsprogramme für Migranten durch. Mitglieder sind 169 Staaten. Das IOM wird von einigen Seiten kritisiert, dass es mehr nach wirtschaftsorientierten als nach humanitären Prinzipien agiere.
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89 Kommentare
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Tobias W.
20.06.2023 16:41registriert Januar 2017
Traurig, was da passiert. Aber ich finde nicht, dass das unsere Sache ist. Es reicht schon, dass diese Leute unsere Kultur und unsere Lebensqualität belasten, wenn sie hier sind.

Nicht falsch verstehen. Wer hier ist, soll meinetwegen eine Chance kriegen. Von mir auf jeden Fall, als Mensch! Und wer man in Seenot vorfindet, muss gerettet werden, 100%ig !!

Aber ich lasse mich nicht dafür verantwortlich machen, dass diese Menschen im Meer ertrinken. Es ist auch nicht unsere Sache, aktiv nach diesen Booten zu suchen.
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John Galt
20.06.2023 18:03registriert November 2014
Ich würde gerne mal einen Hintergrundbericht lesen; darüber weshalb die Länder verlassen werden, warum die Nacbarländer keine Option sind, und vor allem wer an den Flüchtlingsströmen verdient (inklusive derer Geschichte).
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CaptainObvious
20.06.2023 19:53registriert April 2017
Die Karte zeigt eindrücklich, wie die in Unglücke zunehmends näher an die Küste Nordafrikas rückten.
Man könnte fast meinen, dass die Boote gar nicht mehr für die Überquerung fit sein müssen. Es scheint zu reichen, wenn man es grad so in internationale Gewässer schafft.
Kommt man in eigenen Gewässern in Seenot ist nämlich die nationale Küstenwache verantwortlich und bringt die Boote zurück nach Afrika.

Mit „unseren“ Rettungsschiffen machen wir den Menschen also auch Hoffnung und tragen so aktiv zu der Misere bei.
Es ist ein perfides Geschäft.
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